PIERRE ELLIOT WIE KÖNNEN WIR FÜR DIE SUBSTANZ DER ARBEIT EMPFINDSAM WERDEN?

Alles, was existiert, ist eine Materie, eine Substanz. Wir verwenden das Wort Arbeit, wenn wir etwas machen. Dann sagen wir: „Ich arbeite.“ oder „Ich arbeite nicht.“. In diesem Zusammenhang meinen wir mit dem Wort Arbeit eine Anstrengung. Aber wenn dieses Wort bloß diese eine Bedeutung hätte, wäre es allem anderen ähnlich. Tatsächlich ist die Arbeit nicht nur das, was wir machen, sondern auch eine Substanz, die immer schon existiert. Wir können ihre Anwesenheit mehr oder weniger spüren. Diese Substanz ist allerdings sehr fein, zu fein dafür, dass man etwas damit täte. Es gibt auch andere feine Substanzen, mit denen man etwas anfangen kann, wie zum Beispiel die feine Substanz der Aufmerksamkeit oder die feine Substanz der Empfindung. Aber die Substanz der Arbeit ist noch viel feiner als sie.

 

Tatsächlich ist sie dem Blut sehr ähnlich. Gönnen wir uns eine Pause und denken wirüber die Rolle des Blutes im unserem Körper – gemeint ist nicht bloß das des physische Leibes – nach.

 

Natürlich gibt es das Blut unserer organischen Existenz, unseres physischen Körpers. Aber außerdem gibt es das Blut unseres zweiten Leibes, Blut oder unsere geistige Existenz, was in dem „Beelzebub“ als Hanbledsoin bezeichnet wird. Und es gibt noch die dritte Art von Blut: Theomertmalogos oder Gottes Wort in derselben Quelle genannt. Wenn wir von „Großer Arbeit“ sprechen, meinen wir gerade diese Art von Blut. Unsere Arbeit besteht darin, uns für deren Erkenntnis zu öffnen, ihren Ruf wahrnehmen zu können und entsprechend ihrer Anwesenheit in uns zu handeln.

 

Es ist sehr wichtig, dass wir Arbeit als feine Substanz verstehen, die „Blut der Seele“genannt werden könnte. Und es ist äußerst wichtig einzusehen, dass es die Grundlage für eine Gruppenarbeit werden könnte, weil dasselbe Blut durch uns alle fließt.

 

Wenn wir an diese Erkenntnis glauben, verändert sich unsere Vorstellung vom anderen Menschen. Aber solange jemand das Gefühl hat, er wüsste etwas Besonderes von meiner Arbeit, meinem Projekt, meiner Sache oder irgend jemandes Arbeit und solange jemand meint, er arbeite und nicht der andere, oder er arbeite besser als der andere, sind in der Person alle Stufen von Dummheit und Berechnung vorhanden. Dann ist man entweder von einer Gerechtigkeit überzeugt oder man ist empört, oder man ist parteiisch.

 

Wenn wir an die Existenz einer Substanz in uns allen glauben, die als die feinste von allen Substanzen gilt, dann spüren wir eine besondere Verbindung miteinander.

 

Es existiert eine sehr wichtige Verbindung natürlich der zweiten Art, dank der wir an unser geistiges Leben gelangen. Ich meine jenen Lebenssinn, wenn wir uns um unsere Perfektionierung, die eigene Individualität bemühen, wenn wir eine Persönlichkeit aus uns formen. Das, worüber wir hier reden, ist viel wichtiger als alles andere, weil diese zweite Art der Verbindung höher ist als eine gewöhnliche körperliche Existenz. Außerdem kann sie jeden durchdringen, da sie so hoch ist. Wenn wir an unsere verschiedenen Fähigkeiten denken, kann das zweifelhaft erscheinen, doch würde man es nach einiger Überlegung einsehen, dass sich die feine Substanz der Arbeit, die in Ihnen ist, nicht von der feinen Arbeitssubstanz unterscheiden kann, die in mir oder in einer anderen aus unserem Universum ist.

 

Das passiert, weil wir nicht ab und zu stehen bleiben, um über den höchsten Sinn der Arbeit nachzudenken. Wir sind öfter zu sehr beschäftigt mit allen persönlichen Problemen, mit denen wir im Alltag konfrontiert werden. Ich möchte Sie auf die Relativität des Wortes „Arbeit“aufmerksam machen, bevor wir auf das Thema„Gruppen“ sowie „Gruppenarbeit“ zu sprechen kommen. Wenn wir uns z. B. heute bei unserer gemeinsamen Arbeit Mühe gegeben haben, uns an uns selbst zu erinnern, sehen Sie sicher ein, dass wir etwas für uns alle Gemeinsames teilen, unabhängig von der Arbeit, mit der wir beschäftigt sind.

 

Unser Problem besteht eigentlich darin, dass ständig etwas unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt. Wir werden abgelenkt. Wir fühlen uns an viele Sachen gebunden, die wir aus diesem Grund vergöttern. Wir sollten einsehen, dass wir all diese Götzen haben, die wir verehren. Wir täuschen uns, falls wir daran glauben, dass wir nichts zum Idol machen. Sobald wir anfangen zu arbeiten, bekommen wir eine gewisse Vorstellung von der Kraft des Gleichsetzens mit dem Götzen, von der Kraft der Vergötterung. Wir nehmen die Kraft wahr, die uns zu verschiedenen Arten von Götzen hinzieht. Die Fähigkeit, unsere Götzenanbetung einzusehen, haben wir alle. Aber das bedeutet nicht, dass ihre Macht über uns endet. Die Macht dieser negativen Kräfte kann bloß für eine sehr kurze Zeit und entscheidende Moment schwächer werden. Das ist das Hauptziel einer Gruppenarbeit. Wenn wir uns zusammen an die Arbeit machen, bekommen wir eher eine Chance, die Wirkung des echten Gottes, die Substanz der Arbeit in uns zu spüren. Dagegen sind wir weniger der Macht anderer Kräfte ausgesetzt.

 

Deswegen ist es wichtig, das Gefühl zu haben, dass man in seiner Arbeit aufgeht. Wenn wir diesen Teil der Arbeit machen, entsprechen unsere Urteile und Einschätzungen immer mehr dem Ideal, das sie logischerweise sein sollen. Wir müssen wirklich das schätzen, was ewig und unvergänglich ist, was nicht permanent verloren geht, wenn vergängliche Reize Einfluss auf uns ausüben.

 

Nun sind wir imstande, das logisch zu begreifen, aber wir können das nicht spüren, solange wir nicht aktiv dabei sind. Die Arbeit muss in der Gruppe auf solche Weise aufgebaut werden, dass wir unsere Arbeitsanstrengungen darauf richten können, in der Arbeit aufzugehen, unabhängig davon, was wir tun.

 

Tatsächlich gibt es zwei Fragen. Die erste Frage wurde schon in dem Titel dieser Notizen angesprochen. Falls solch eine feine Arbeitssubstanz existiert, die als der größte Schatz in aller Welt gilt, und wenn diese Substanz mich schon durchdringt, wie kann ich dann empfindsam dafür werden? Wenn wir uns diese Frage stellen, können wir aus einem einfachen Nachdenken darüber darauf kommen, was unser tatsächliches Bedürfnis im Moment wäre. Wir müssen darauf aufmerksam werden und empfindsam dafür bleiben, um die Anwesenheit der Arbeit in uns zu entdecken und uns dafür zuöffnen. Die zweite Frage betrifft unseren Widerwillen, uns danach zu richten, was wir sehen. Wir müssen uns vor dem hüten, was uns von der Arbeit ablenkt, aber diese Frage gehört nicht zu dem Thema dieser Einführung, die sich mit Gruppen und Gruppenarbeit auseinandersetzt.

 

Samstag, den 19. September 1981

 

übersetzt von Maria Mucke

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